Meine Rede zur Anpassung der Regelbedarfe nach dem SGB XII

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In den letzten Monaten hat dieser Bundestag milliardenschwere Hilfspakete möglich gemacht – richtigerweise –; aber für erwachsene Menschen in der Grundsicherung, für arme Rentnerinnen und Rentner war kein einziger Cent mehr da. Das ist eine bittere Erfahrung für alle, die es betrifft.

Auch der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung ermöglicht wieder kein ausreichendes Existenzminimum. Er koppelt über 7 Millionen Menschen in Deutschland, die Grundsicherung erhalten, von der gesellschaftlichen Teilhabe ab. Das ist inakzeptabel, und das wollen und müssen wir ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der Regelsatz reicht zum Überleben, aber er reicht nicht zum Leben. Die Regierung orientiert sich in ihrem Gesetzentwurf wieder an den ärmsten Haushalten in Deutschland, die eh schon jeden Cent dreimal umdrehen müssen und die am Ende des Monats oft auf die Tafeln angewiesen sind. Und dann legt sie nachträglich den Rotstift an. Die Liste von Dingen, die Menschen in der Grundsicherung in Deutschland nicht haben dürfen, ist lang: kein Eis im Sommer, keine Schnittblumen, kein Weihnachtsbaum, keine rezeptfreien Medikamente, und sogar Malstifte für Kinder werden centgenau aus dem Regelsatz herausgestrichen. Über 170 Euro Kürzung jeden Monat auf Kosten der Ärmsten: So bleiben Menschen im sozialen Abseits, und das ist einer Grundsicherung unwürdig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Jetzt wird gesagt – so auch eben wieder in der Debatte –: Aber Menschen, die erwerbstätig sind, müssen mehr haben als die, die es nicht sind. – Ja, richtig; natürlich. Aber zu niedrige Löhne dürfen doch kein Argument dafür sein, die Grundsicherung noch niedriger zu halten.

Sie zäumen das Pferd von der falschen Seite auf, nämlich auf dem Rücken der Schwächsten. Ein höherer Mindest-lohn, bessere Tarifbindung, bezahlbare Mieten – das wäre der zentrale Beitrag, um Menschen im unteren Einkommensbereich zu stärken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir Grünen legen heute mit unserem Antrag ein eigenes, wissenschaftlich fundiertes Konzept zur Berechnung der Regelsätze vor. Mit unserer Methode stellen wir sicher, dass das Existenzminimum nicht unbegrenzt von den Lebensbedingungen in der Mitte der Gesellschaft abweichen darf und dass ein Mindestmaß an Teilhabe immer garantiert ist. Keine nachträglichen Streichungen von Ausgabenpositionen, keine verdeckt armen Haushalte in der Referenzgruppe – das ist die zentrale Forderung, die wir mit unserem Antrag erheben. Es ist nämlich Zeit für eine neue Regelbedarfsermittlung.

Von höheren Regelsätzen würden übrigens alle Menschen durch einen höheren Steuerfreibetrag bei der Einkommensteuer profitieren. Und es muss natürlich klar sein, dass das Existenzminimum vollständig von Sanktionen ausgenommen wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich komme zum Schluss. In unserem wunderbaren Grundgesetz steht im wichtigsten Artikel: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dort steht nicht: „Die Würde der Erwerbstätigen ist unantastbar“, sondern: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Zur Würde gehört sehr zentral, dazuzugehören, und genau das muss der Regelsatz garantieren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Unseren Antrag „Teilhabe am gesellschaftlichen Leben garantieren – Regelbedarfsermittlung reformieren“ können Sie hier nachlesen.