Meine Rede zum Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ja, kaum etwas auf dieser Welt ist so starr wie die Aufteilung der Menschheit in männlich und weiblich.

Das beginnt in der Tat, wie Jens Brandenburg das richtig beschrieben hat, schon vor der Geburt mit der Frage: Wird es ein Junge oder ein Mädchen? Eltern stehen dann unter großem Druck, wenn sie ein Kind bekommen, das nicht eindeutig in diese Kategorien passt. Dabei ist da ein kleiner, schutzbedürftiger Mensch, der ein Recht darauf hat, anerkannt zu werden, und zwar ganz genau so, wie er auf diese Welt gekommen ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Eltern wollen in der Regel das Beste für ihr Kind. Ja. Sie entscheiden sich für eine Operation an ihrem intergeschlechtlichen Kind, weil sie es schützen wollen vor Ausgrenzung, weil sie alleingelassen und überfordert sind in einer für sie neuen Situation. Aber: Das ist eben nicht immer die beste Entscheidung für das Kind und für sein Leben. So wie zum Beispiel bei Lynn. Für das zweijährige Kind begann ein Operationsmarathon: Eierstöcke und Hoden wurden entfernt, der Penis amputiert, künstliche Schamlippen angebracht; sieben Operation innerhalb von zwei Jahren. Lynn wuchs als Mädchen auf und versuchte verzweifelt, in die für sie vorgesehene Schublade zu passen. Aber Lynn fühlte sich weder den Mädchen noch den Jungs zugehörig. Das Resultat war eine von Unsicherheiten und Selbstzweifeln geprägte Kindheit und Jugend. Lynn sagt heute: Ich hatte das Gefühl, ich bin ein Freak, ein Alien, irgendwie wurde ich hier abgeworfen über dieser Welt, und ich pass hier nicht rein.

Mir ist wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute Lynn und allen intergeschlechtlichen Menschen zu sagen: Doch, du passt hier rein, du bist richtig, ganz genau so, wie du bist!

Knapp 2 000 dieser Operationen gibt es jedes Jahr in Deutschland. Dieses Leid ist vermeidbar. Nicht die Kinder müssen verändert werden, wir müssen uns ändern, wir müssen lernen, mit der Realität einer Geschlechtervielfalt umzugehen.

Wir Grüne fordern schon sehr lange ein Verbot von medizinisch nicht notwendigen geschlechtszuweisenden Operationen, um diese schweren Menschenrechtsverletzungen endlich zu beseitigen. Dieses Gesetz darf aber keine Schutzlücken haben. Warum schützt der Entwurf der Regierung nur Kinder mit einer sogenannten Variante der Geschlechtsentwicklung? Warum gibt es dann weitere Einschränkungen dieses Verbotes? Das könnte erneut dazu führen, dass das Verbot ausgehöhlt wird, wenn zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte behaupten, es läge überhaupt keine solche Variante vor.

Wir brauchen ein Schutzgesetz, dass alle Kinder rechtssicher schützt, ein Gesetz, das Eltern eine fundierte Beratung ermöglicht. Und wir brauchen zusätzlich einen Fonds zur Entschädigung von Inter und Trans, die bis heute unter den Folgen von medizinisch nicht notwendigen Operationen leiden. Lassen Sie uns bitte beides mit einer sehr breiten Mehrheit in diesem Bundestag auf den Weg bringen!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Und bleiben Sie gesund über die Feiertage! Vielen Dank.

 

Unseren Antrag finden Sie hier: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/222/1922214.pdf