Kabinettsentwurf „Starke-Familien-Gesetz“: Gegen Kinderarmut braucht es einen großen Wurf

Zum Entwurf des sogenannten Starke-Familien-Gesetzes, den das Kabinett heute beschlossen hat, erklären Annalena Baerbock, Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und ich:

Gegen Kinderarmut bräuchte es einen großen Wurf. Davon ist der Gesetzesentwurf aber bei allen richtigen Verbesserungen leider meilenweit entfernt. Kinder und Familien mit keinem oder kleinem Einkommen benötigen einen unbürokratischen und kostenfreien Zugang zu Leistungen, die ihnen Teilhabechancen garantieren. Minimallösungen sind zur Bekämpfung von Kinderarmut schlicht zu wenig. Die Inanspruchnahme von Kinderzuschlag und Leistungen für Bildung und Teilhabe wird sich mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht spürbar verbessern.

Die Auszahlung des Kinderzuschlags muss endlich so einfach werden wie heute die Förderung von Spitzenverdienern über den Kinderfreibetrag. Das gelingt nur über eine automatische Auszahlung. Es muss sichergestellt sein, dass alle Kinder, die einen Anspruch darauf haben, den Kinderzuschlag auch erhalten.

Das Bildungs- und Teilhabepaket bleibt auch mit diesem Gesetzentwurf weiterhin ein Bürokratiemonster. Durch das komplizierte Antragsverfahren werden die geplanten Leistungsverbesserungen nur bei denjenigen Familien und Kindern ankommen, die die Leistungen auch beantragen. Dies war in Jahr 2017 gerade einmal jedes dritte Kind im Grundsicherungsbezug. Dabei ist es stark vom Wohnort abhängig, welche kulturellen oder sportlichen Aktivitäten für Kinder und Jugendliche angeboten werden.

Die Bundesregierung muss endlich die Weichen für den Systemwechsel hin zu einer Kindergrundsicherung stellen, die Schluss macht mit dem Anrechnungswirrwarr und Antragsdschungel unterschiedlicher Leistungen. Familien mit keinem oder kleinem Einkommen stärkt man nicht mit Schmalspurlösungen. Das Familienstärkungsgesetz ist eine vertane Chance, Teilhabechancen für alle Kinder unabhängig vom Elternhaus und Wohnort sicherzustellen.