Geflüchtete werden während Corona gänzlich allein gelassen. Antwort der Bundesregierung auf unsere kleine Anfrage “ Auswirkungen der Asylbewerberleistungsgesetznovelle“ von 2019

Im August und September 2019 sind mit Verabschiedung des sogenannten Migrationspaketes auch umfangreiche Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) in Kraft getreten. So wurde die Zuordnung zu den Regelbedarfsstufen geändert. Wir haben die Bundesregierung gefragt,  welche Auswirkungen die Asylbewerberleistungsgesetznovelle von 2019 – auch in Zusammenhang mit der Corona Krise – hat.

Deutlich wird aus der Antwort der Bundesregierung, dass Geflüchtete während Corona gänzlich allein gelassen werden. Nicht nur ist es angesichts der sehr engen Unterbringungssituation an vielen Orten nicht möglich für Geflüchtete Abstand zu halten. Selbst wenn die Unterbringung entzerrt wird, sind Geflüchtete gezwungen zum „gemeinsamen wirtschaften“ in Kontakt zu treten. Denn im letzten Sommer hat  die Bundesregierung die verfassungsrechtlich gebotene Anpassung der Leistungen für Asylbewerbende genutzt, um Leistungsabsenkungen für Menschen im Gemeinschaftsunterkünften unter der willkürlichen Begründung von „Synergie- und Einspareffekten im Zuge gemeinsamen wirtschaftens“ durchzusetzen. Eine Antwort auf die Frage, warum das Leben in einer Gemeinschaftsunterkunft die gleichen Einsparungen wie das Zusammenleben in einer Ehe mit sich bringen soll, bleibt die Regierung weiterhin schuldig.

Das läuft aller Logik zu wider. Um ihre Rechte durchzusetzen bleibt ihnen letztendlich nur der Klageweg, welcher in Zeiten von Corona und den Auswirkungen auf Gerichte und die Beratungsstrukturen, noch beschwerlicher und langwieriger ist als zu pandemiefreien Zeiten.

Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin und ich haben uns dazu wie folgt geäußert:

 „Gerade in Zeiten der Coronapandemie offenbart sich, dass Asylsuchenden der Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung abgesprochen wird. Abstand halten predigen, aber gemeinsames Wirtschaften einfordern, das ist absurd. Das ist nicht nur Realitätsverweigerung, sondern schlichtweg politische Verantwortungslosigkeit. Es ist ein Armutszeugnis, wenn Schutzsuchenden nur noch der beschwerliche Weg vor die Gerichte bleibt. Einmal mehr wird klar: Schutzsuchende bekommen von dieser Regierung nur die Menschenwürde mit Rabatt.

Trotz zunehmender Urteile der Sozialgerichte, die die Verfassungsmäßigkeit anzweifeln und deshalb die „Zwangsverpartnerung“ von Schutzsuchenden in Gemeinschaftsunterkünften aufheben, wird stur an der Regelung festgehalten. Schon vor Jahren hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht aus migrationspolitischen Erwägungen beschnitten werden darf. Diese Leistungskürzungen durch die Hintertür sind nicht zu rechtfertigen. Die Reform, die das Asylbewerberleistungsgesetz wirklich benötigt, ist seine Abschaffung. Wir brauchen keine Sondersysteme, wir brauchen ein Leistungssystem für alle.“

„Die Menschenwürde kennt keine zwei Klassen. Und doch hat die Bundesregierung die verfassungsrechtlich gebotene Anpassung der Leistungen für Asylbewerbende genutzt, um Einsparungen auf dem Rücken von Menschen in Gemeinschaftsunterkünften durchzusetzen. Eine Antwort auf die Frage, warum das Leben in einer Gemeinschaftsunterkunft die gleichen Einsparungen wie das Zusammenleben in einer Ehe mit sich bringen soll, bleibt die Regierung weiterhin schuldig. Wir fordern die Bundesregierung auf, diesem unwürdigen Spiel auf dem Rücken der Betroffenen ein Ende zu setzen und Asylbewerbenden endlich ein menschenwürdiges Existenzminimum ohne Wenn und Aber zu gewähren. Mindestens sollte die Bundesregierung den Sozialgerichtsurteilen folgen und zeitnah die Regelung zur leistungsrechtlichen Zwangsverpartnerung abschaffen. Als akute Krisenmaßnahmen fordern wir einen Corona-Aufschlag von 100 Euro monatlich für Erwachsene, um die sozialen Härten der Krise abzufedern.“