Meine Rede zur Umsetzung des Rechts auf gleichgeschlechtliche Ehe

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe mich angesichts dieser Debatten, die die AfD hier führt, heute schon zum zweiten Mal gefragt, wie viel Selbstbetrug und Selbstverleugnung man eigentlich als eine Frau wie Alice Weidel an den Tag legen muss, um Vorsitzende dieser Fraktion zu sein.

Seit einem Jahr ist Deutschland glücklicher geworden.
Denn endlich können alle Menschen genau den Menschen lieben und heiraten, den sie möchten.
Und das wird auch genau so bleiben. Da können Sie noch so viele Gesetzentwürfe schreiben. Das wird genau so bleiben.

Ein Jahr nach der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare haben wir also nun einen Gesetzentwurf zur Umsetzung dieses Gesetzes. Das begrüßen wir als Grüne ausdrücklich. Denn es ist ein weiterer Schritt zur Gleichstellung im deutschen Recht.

Allerdings ist dann doch nicht alles Gold, was auf den ersten Blick glänzt. Denn fast nebenbei, in der Begründung des Gesetzentwurfes, wird fälschlicherweise behauptet, dass das Eheöffnungsgesetz keine Rückwirkung auf den Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft für in der Vergangenheit bereits abgeschlossene Sachverhalte entfalte.

Ziel des Gesetzes zur Ehe für alle im letzten Jahr war aber – ich zitiere – „die europa- und verfassungswidrige Diskriminierung rückwirkend zu beseitigen“. Deshalb sollten nach dem Willen des Bundestages aus dem letzten Jahr soziale und steuerrechtliche Entscheidungen neu getroffen werden.

Das Bundesfinanzministerium blockiert aber leider in der Praxis die rückwirkende Gleichstellung im Steuerrecht. Nun versucht die Koalition, den Gesetzeswillen von 2017 mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umzudeuten.

Was heißt das in der Praxis? In der Praxis heißt das, dass die Diskriminierung von lesbischen und schwulen Paaren im Steuerrecht, die bis 2013 bestand, nicht geheilt wird. Offenbar ist es so, dass die rückwirkende Beseitigung der Diskriminierung da endet, wo sie Geld kostet. Das ist nicht akzeptabel, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wenn dieser Gesetzentwurf so beschlossen wird, dann werden lesbische und schwule Paare ihr Recht nicht mehr auf dem Klageweg erstreiten können.

Es gibt eine weitere große Leerstelle. Denn obwohl anders angekündigt, tut die Große Koalition auch für Regenbogenfamilien mit diesem Gesetzentwurf nichts. Zu den erforderlichen Anpassungen im Abstammungsrecht, die in erster Linie den Kindern zugutekommen würden, hat eine Meinungsbildung der Bundesregierung noch nicht einmal stattgefunden.

Die aktuelle Rechtslage stellt Kinder, die in gleichgeschlechtliche Ehen oder Lebenspartnerschaften hineingeboren wurden, immer noch schlechter als Kinder, die in eine heterosexuelle Ehe hineingeboren werden. Diese Diskriminierung muss endlich beseitigt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Denn diesen Kindern fehlt die Rechtssicherheit durch zwei Elternteile. Ihnen fehlt die doppelte Absicherung auch bei Trennung oder Tod eines Elternteils. Diese Regelung widerspricht dem Kindeswohl. Sie widerspricht übrigens auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes.

Wenn die Bundesregierung es mit der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehen und Familien ernst meint, dann geht sie dieses Thema endlich an. Ich empfehle sehr nachdrücklich den von uns Grünen eingebrachten Gesetzentwurf, der jetzt in den Ausschüssen beraten wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.