Persönliche Erklärung zur Einstufung von Georgien und Moldau als „sichere Herkunftsstaaten“

Persönliche Erklärung gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat (Drucksache 20/9284) zu dem Gesetz zur Bestimmung Georgiens und der Republik Moldau als sichere Herkunftsstaaten (Drucksachen 20/8629)

Heute hat der Deutsche Bundestag über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung abgestimmt, mit dem Georgien und die Republik Moldau als sog. „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft werden. Diesem Gesetzentwurf habe ich nicht zugestimmt, da dieses Vorhaben weder mit meinem Gewissen noch mit meinem Amt als Queer-Beauftragter der Bundesregierung vereinbar ist. Länder, in denen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie andere queere Menschen (LSBTIQ*) nicht ausreichend geschützt werden, dürfen nicht als sicher gelten.

Das Bundesverfassungsgericht hat 1996 geurteilt, dass für die Bestimmung eines Staates zum „sicheren Herkunftsstaat“ Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen muss. In der EU-Richtlinie 2013/32/EU heißt es, dass das Konzept des sicheren Herkunftsstaates nur dann anwendbar ist, wenn sich die zuständigen Behörden davon überzeugt haben, dass für eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in dem betreffenden Herkunftsstaat keine Gefährdung von Leben und Freiheit aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe besteht.

Maßstab für die Einschätzung eines Verfolgungsrisikos ist ein offenes und geoutetes Leben. Das ist für LSBTIQ* als soziale Gruppe in Georgien und Moldau nicht möglich.

Im georgischen Tiflis wurde in diesem Jahr erneut ein Pride-Festival von Nationalisten gestürmt und verwüstet. Die Sicherheitsbehörden kamen ihrem Schutzauftrag nicht nach. Der georgische Staat hat mehrmals gezeigt, dass er nicht in der Lage ist, LSBTIQ* ausreichend vor nichtstaatlicher Verfolgung zu schützen. Stattdessen beteiligen sich Teile der Regierung sogar an der Hetze. Zudem sind Teile des Landes von Russland kontrolliert. Georgien erfüllt nicht die Kriterien eines „sicheren Herkunftsstaats“ – weder für LSBTIQ* noch für andere Minderheiten. Diese Einschätzung wird von dem weltweiten LSBTIQ*-Dachverband ILGA geteilt und findet sich auch in mehreren Urteilen deutscher Verwaltungsgerichte. Erst im April 2023 hat Belgien Georgien daher von seiner nationalen Liste sicherer Herkunftsstaaten gestrichen.

Ich hoffe sehr, dass sich die rechtliche Anerkennung und gesellschaftliche Situation für LSBTIQ* in Georgien und Moldau durch eine Beitrittsperspektive zur Europäischen Union verbessern wird.

Generell ist das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ problematisch, besonders für Minderheiten wie LSBTIQ*. Ihre Chancen auf ein faires Asylverfahren sinken, weil ihre Anträge in der Regel als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden. Ihre Asylverfahren werden auch prioritär bearbeitet, die zu setzende Ausreisefrist verkürzt sich auf eine Woche, auch eine Klage ist innerhalb einer Woche zu erheben und hat keine aufschiebende Wirkung.

Die Antragstellenden müssen in der Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben. All das führt dazu, dass für sie der Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung sehr eingeschränkt ist. Gerade geflüchtete LSBTIQ* brauchen aber Zeit, um sich gegenüber staatlichen Behörden zu outen und ihre Fluchtgründe vorzubringen. Mit der Einstufung als „sichere Herkunftsstaaten“ verschlechtert sich folglich die Chance auf ein faires Asylverfahren für LSBTIQ*-Geflüchtete aus Georgien und Moldau. Dies macht eine Zustimmung für mich nicht möglich.