Foto von Brett Sayles von Pexels

Mein Grußwort im Eröffnungsgottesdienst des 27. Lesbisch-Schwulen Stadtfestes in Berlin

Ich freue mich sehr über die Einladung zu diesem Eröffnungsgottesdienst des 27. Lesbisch-Schwulen Stadtfestes in Berlin! Und noch mehr darüber, dass das Motto lautet „Gemeinsam gegen rechts!“

Vor zwei Wochen noch habe ich in Köln den Cologne Pride gefeiert. In dessen Rahmen wurde beim gemeinsamen CSD-Empfang
des Schwulen Netzwerks NRW und der Aidshilfe NRW die Kompassnadel für herausragendes Engagement verliehen. In diesem Jahr an Johannes Kram, den Nollendorfblogger hier aus diesem Regenbogenkiez, für seinen jahrelangen Einsatz für die Akzeptanz von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans, inter und queeren Menschen.

Megan Rapinoe, lesbische Fußballweltmeisterin, hat in New York vor kurzem eine fulminante Rede gehalten und ist aufgestanden für Freiheit, Vielfalt und Solidarität in Zeiten von Trump & Co.

Und die Seawatch-Kapitänin Carola Rackete hat im Mittelmeer unbeirrbar Menschen vor dem Ertrinken gerettet und an Land gebracht,
die ihre Heimat verlassen mussten. Sie hat das getan, weil ihr das Retten von Menschenleben wichtiger ist als die juristische Ahndung,
die ihr jetzt droht.

Was haben Johannes Kram, Megan Rapinoe und Carola Rackete gemeinsam? Sie alle sind Botschafter*innen für unsere Werte.
Sie alle verteidigen unsere offene Gesellschaft, unsere Freiheit, unser Miteinander. Sie sind die wahren Heldinnen und Helden unserer Zeit –
nicht die hasserfüllten Großmäuler, die jeden Tag versuchen unsere Gesellschaft zu spalten!

Wir leben in einer Zeit, in der die rechten Kräfte in unserem Land wieder erstarken. Die AfD sitzt im Bundestag und verbreitet Hass und Hetze. Bei den anstehenden Landtagswahlen im Osten erreicht sie in den Wahlprognosen unfassbar hohe Werte. Das ist eine Gefahr –
für unsere Demokratie, eine Gefahr für die Freiheit selbstbestimmt zu leben, eine Gefahr für Menschenrechte und Mitmenschlichkeit in unserer Gesellschaft. Und auch eine Gefahr für die Rechte von Lesben und Schwulen und Transmenschen, die jetzt 50 Jahre lang,
beginnend mit den mutigen Vorkämpfer*innen der ersten Stunde im Stonewall Inn in New York, für ihre Rechte und damit für unser aller Rechte gekämpft haben.

Ich kann meine tiefe Dankbarkeit für diese mutigen Vorkämpfer*innen gar nicht genug zum Ausdruck bringen!

Wir haben inzwischen viel erreicht, was noch vor Jahren undenkbar war. Wir haben die Ehe für Alle. Und wir werden sie auch nicht wieder hergeben. Aber damit ist längst noch nicht alles gut. Es gibt noch sehr viel zu tun, damit Artikel 1 unseres Grundgesetzes:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ in aller Konsequenz umgesetzt ist. Denn noch immer werden wehrlose Säuglinge, die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind, ohne medizinische Notwendigkeit operiert, um sie in ein rosa/blau Schema zu pressen. Noch immer müssen transgeschlechtliche Menschen verschiedene psychologische Gutachten vorlegen, um ihren falschen Geschlechtseintrag korrigieren zu dürfen. Noch immer machen über 80% aller nicht-heterosexuellen Jugendlichen Erfahrungen mit Diskriminierung. In der Schule, im Sportverein, in der Familie. Bei transgeschlechtlichen Jugendlichen sind es sogar über 90%.

Eine offene und demokratische Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht. Eine offene und demokratische Gesellschaft sorgt dafür, dass alle Menschen verschieden sein können, aber gleich an Rechten, gleich an Würde und frei von Diskriminierung.

Für diesen Kampf braucht es den starken Zusammenhalt innerhalb der Community. Denn unsere Vielfalt ist unsere Stärke. Das Einstehen und die Solidarität mit den Menschen, deren Probleme vielleicht nicht unsere sind, weil wir selbst vielleicht nicht trans- oder intergeschlechtlich sind, weil wir selber vielleicht nicht auf der Flucht sind vor Verfolgung oder Krieg, weil wir selber vielleicht nicht nach einem Coming-Out zu Hause rausgeworfern wurden und jetzt wohnungslos sind; der Kampf für die Menschenwürde all dieser Menschen ist unser aller Kampf. Weil es im Kern immer um die Gesellschaft geht, in der wir alle leben.

Und weil die Akzeptanz von LSBTI eben keine private Frage einiger „Betroffener“, sondern eine gesamtgesellschaftliche Frage ist, setze ich auch auf die vielen Verbündeten außerhalb der Community, die den gesellschaftlichen Diskurs prägen. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften und ihre Vertreter*innen spielen dabei eine ganz wichtige Rolle, geben sie doch vielen Menschen Halt und Orientierung. Darum freue ich mich besonders, heute hier zu sein
und will meinen Dank denjenigen aussprechen, die im innerkirchlichen Dialog nicht nachlassen, sich für die Rechte und die Akzeptanz aller Lebensentwürfe uneingeschränkt einzusetzen. Auch dieser Gottesdienst setzt ein Zeichen. In vielen kirchlichen Jugendgruppen sind queere Jugendliche heute nicht nur willkommen, sie gestalten sie aktiv mit. Hier im Kiez gibt es sogar eine offene Gruppe der evangelischen Kirche für schwule, lesbische, bi- und transsexuelle Jugendliche und junge Erwachsene.

Aber:

Es gibt auch noch immer Stimmen und Strömungen innerhalb der Kirchen und Religionsgemeinschaften, die praktizierte homosexuelle Handlungen ablehnen und die sogar sogenannte „Homoheiler“-Therapien entweder gut finden oder sie sogar anbieten. Und deswegen sage ich sehr klar: Diese Therapien, die oft im Namen Gottes angeboten werden, müssen endlich verboten werden! Auch das kirchliche Arbeitsrecht schafft immer noch Diskriminierung. Es ist einer freien Gesellschaft unwürdig, dass das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe eine lesbische Krankenhausverwaltungsdirektorin oder einen schwulen Lehrer an einer katholischen Schule den Arbeitsplatz kosten kann.

Darum ist es so wichtig, dass wir alle den Dialog in unseren Wirkungskreisen und Begegnungen weiterführen, nicht resignieren, auch wenn das häufig sehr anstrengend ist. Wir alle können in unserer Unterschiedlichkeit ein wenig Johannes Kram, Megan Rapineo und Carola Rakete in uns tragen. Die manchmal ungemütlich sind, die aber zäh und konsequent und mutig gegen harte Widerstände für unsere offene Gesellschaft eintreten.

Deswegen:
Lasst uns täglich mit unseren Möglichkeiten für Freiheit, Selbstbestimmung und Vielfalt eintreten und Solidarität leben.

An diesem Wochenende werden im Berliner Regenbogenkiez und am nächsten Wochenende auf den Straßen von Berlin viele Menschen ihre Vielfalt feiern, ihr So-sein, ihr Recht auf Akzeptanz und Würde.

Ich wünsche Euch und uns allen ein tolles Straßenfest und einen lauten und bunten CSD!

Vielen Dank.