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Meine Rede zum Haushaltsentwurf der Bundesregierung

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mehr soziale Gerechtigkeit ist in der Tat das, was sich immer mehr Menschen in Deutschland sehnlichst wünschen. Mehr soziale Gerechtigkeit ist aber eine Frage des politischen Mutes und der richtigen Prioritäten. Davon ist dieser Haushalt leider Lichtjahre entfernt.

Es gibt mit der Gießkanne überall etwas mehr, ohne aber an die wirklichen Ursachen von Armut und Ungerechtigkeit heranzugehen. So macht man keine mutige Sozialpolitik, Herr Minister.

Fangen wir bei den Kindern und Familien an: Es ist unerträglich, dass in einem reichen Land wie Deutschland knapp 2 Millionen Kinder in Hartz IV leben und noch mehr Kinder armutsgefährdet sind. Kinder haben eigene soziale Rechte. Deswegen wird es Zeit, die Familienförderung endlich vom Kopf auf die Füße zu stellen, und es wird Zeit, eine Kindergrundsicherung zu schaffen, von der alle Kinder profitieren.

Dafür bräuchte es aber den Mut zum Systemwechsel, und genau der fehlt dieser Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Stattdessen gibt es einen Flickenteppich an Einzelmaßnahmen. Die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen geht komplett an armen Familien vorbei. Das Geld fehlt dann an anderer Stelle, zum Beispiel, um die Kinderregelsätze endlich so auszugestalten, dass Familien in Hartz IV sich auch mal einen Ausflug oder ein Geburtstagsgeschenk leisten können. Das können nämlich viele dieser Familie nicht.

Auch beim Bildungs- und Teilhabepaket herrscht große Mutlosigkeit. Die Idee war ja eigentlich, Kindern den Zugang zu Bildung, Kultur und Sport zu ermöglichen, die sich das sonst nicht leisten können. Herausgekommen ist aber ein großes Bürokratiemonster. Rund 3 Millionen Kinder in Deutschland haben einen Anspruch darauf, und gerade einmal rund 600 000 nehmen diese Leistungen in Anspruch. Das ist eine verdammt schlechte Bilanz, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Jetzt kündigt die Union an, die Leistungen für den Schulbedarf um 20 Euro erhöhen zu wollen. Schön und gut, aber ich sage Ihnen: Seien Sie doch einfach mutig! Schaffen Sie das Bildungs- und Teilhabepaket ab! Geben Sie das Geld lieber in höhere Kinderregelsätze, und geben Sie es den Kommunen, damit die vor Ort gute Angebote für Kinder kostenfrei ermöglichen können. Das wäre mutige Sozialpolitik, die die Kinder und Familien auch spüren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Apropos Mut. Die Sommerpause stand ja ein bisschen unter dem Motto: Die SPD möchte ihr sozialdemokratisches Profil wieder stärken. Und ich sage Ihnen: Ich fand das sogar gut. Ich fand es gut, dass die Republik endlich einmal über Themen diskutiert, die die Menschen im Alltag wirklich bewegen.

Aber was ist daraus geworden? Die Ankündigung von Andrea Nahles, die harten Sanktionen für junge Hartz-IV-Bezieher zu entschärfen, finde ich richtig. Aber was passiert eigentlich nach der Ankündigung? Ich habe die Regierung gefragt: nichts. Es ist kein Gesetz geplant.

Oder nehmen wir die Rentendebatte: Die Debatte, wie das Rentenniveau gesichert werden kann, ist wichtig. Aber genauso wichtig wäre es, gezielt dafür zu sorgen, dass Menschen nach einem langen Erwerbsleben nicht in die Altersarmut rutschen. Das betrifft vor allem Frauen, und Altersarmut von Frauen bekämpft man eben nicht mit der Mütterrente, für die Sie mal eben mit knapp 4 Milliarden Euro tief in die Beitragskassen greifen.

Altersarmut würden Sie bekämpfen mit einer Garantierente, die sicherstellt, dass Menschen trotz langer Erwerbszeiten im Alter nicht zum Sozialamt gehen müssen. Das wäre ein wirksamer Beitrag gegen Altersarmut, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Jetzt zur größten Enttäuschung: Ihr Vorhaben, einen sozialen Arbeitsmarkt einzuführen und damit Chancen für Langzeitarbeitslose und Menschen mit geringer Qualifikation zu schaffen, begrüßen wir ausdrücklich. Das haben wir auch immer gefordert. Aber so wie Sie das umsetzen – Mindestlohn statt Tariflohn, sieben Jahre Leistungsbezug als Voraussetzung und damit quasi ein Ausschluss für Menschen mit Fluchtgeschichte –, droht dieses so wichtige Vorhaben zum Rohrkrepierer zu werden. Deswegen braucht es deutliche Korrekturen an diesem Gesetz, damit es ein Erfolg wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich komme zum Schluss. Ihr Etat, Minister Heil, ist sozialpolitischer Flickenteppich, und zwar ein Flickenteppich dort, wo wir eigentlich ein dicht gespanntes Netz bräuchten, das Menschen wirksam vor Armut schützt, das sie fördert und stärkt. Gute Sozialpolitik wird aus Mut gemacht. Freuen Sie sich also auf viele gute und mutige Änderungsanträge von uns im Ausschuss.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.