Meine Rede zum Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute hat der Deutsche Bundestag intensiv über unser Grundgesetz diskutiert. Der wichtigste Satz lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ – Diese Würde ist migrationspolitisch nicht relativierbar.

Das Bundesverfassungsgericht stellte 2012 fest, dass das menschenwürdige Existenzminimum deutschen und ausländischen Staatsangehörigen gleichermaßen zusteht und kippte damit die seit 1993 unveränderten Mini-Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Doch die Bundesregierung macht sich mit dem heute eingebrachten Gesetzesentwurf zum Asylbewerberleistungsgesetz erneut auf den Weg, den Grundsatz der Würde für alle in Frage zu stellen. Das ist nicht akzeptabel!

Seit mehr als drei Jahren versäumt es die Bundesregierung, die Leistungen für Asylbewerber*innen anzupassen, obwohl sie verfassungsrechtlich dazu verpflichtet ist. Heute beraten wir einen Gesetzentwurf, der vor allem eines ist: ein Kuhhandel zwischen CDU/CSU und SPD zulasten von Asylbewerber*innen. Die von der AfD getriebene CDU darf weiter ihrer Strategie der vermeintlichen Abschreckung und Desintegration vorantreiben, während sich die SPD mit Verbesserung im Bereich Ausbildung und dem Freibetrag für das Ehrenamt schmückt.

In der Tat sind die vorgeschlagenen Änderungen zur Schließung der Förderlücke für Menschen in Duldung begrüßenswert, auch wenn eine Lösung im SGB XII der bessere Weg gewesen wäre. Auch der Ehrenamtsfreibetrag ist dazu geeignet, die Integration von Asylsuchenden zu befördern.

Doch am Ende steht vor allem eine Überschrift über dem Gesetz und das ist genau jene, die Sie in den Zeitungen lesen wollen: Von uns gibt es für Geflüchtete keinen Cent mehr als bisher. Ein Gesetzentwurf, der das Existenzminimum an die seit 2016 gestiegenen Lebenshaltungskosten anpassen soll, aber die Kostenneutralität zur obersten Prämisse erklärt, ist ein Skandal. Denn es missachtet unser Grundgesetz und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Die Bundesregierung beschreitet damit den gleichen Weg, der 2016 aus gutem Grund im Bundesrat gescheitert ist. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden nicht-verheirate Paare und Zimmernachbar*innen in Gemeinschaftsunterkünften zu einer Zwangsgemeinschaft erklärt, um ihren Leistungsanspruch zu senken.

Stellen sie sich einmal vor: Sie sind aus ihrem Heimatland geflüchtet, leben nun auf engstem Raum in einer Gemeinschaftsunterkunft. Es gibt ohnehin kaum Privatsphäre und nun wird von ihnen erwartet, dass Sie mit ihren Zimmernachbar*innen, die womöglich noch nicht mal ihre Sprache sprechen, gemeinsam einkaufen und kochen. Selbst beim Kauf von Schuhen und Kleidung wird eine Kostenersparnis angenommen. Ich frage mich, wie das Leben in einer Gemeinschaftsunterkunft die gleichen Einsparungen wie das Leben in einer Ehe mit sich bringen soll? Eine plausible Antwort darauf bleiben Sie schuldig. Zum Vergleich: Für alleinstehende Hartz IV-Beziehende, die in einer WG leben, wird eine solche Ersparnis nicht angenommen. Sie bekommen zu Recht den vollen Regelsatz.

Darüber hinaus wollen Sie das Sachleistungsprinzip ausweiten. Es soll fortan nach Ermessen der Leistungsträger auch für Wohnungsinstandhaltungskosten und Haushaltsenergie gelten – unabhängig davon, ob jemand in einer Gemeinschaftsunterkunft oder in einer Wohnung lebt. So schränken Sie die Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Haushalten mit den begrenzten finanziellen Mitteln noch weiter ein und verhindern, dass Menschen eigene Prioritäten setzen, indem sie zum Beispiel beim Strom sparen, um sich neue Schuhe leisten zu können.

Das Schlimmste an Ihrem Gesetzentwurf ist, dass Sie vor lauter Getriebenheit gar nicht merken, wie Sie das Existenzminimum in ein Zweiklassensystem teilen und Geflüchtete weiter in ein Sondersystem schieben. So verhindern Sie die Integration von Menschen, die Asyl suchen, die hier leben und arbeiten wollen. Und so wird Ihre Warnung, dass die Integration der Geflüchteten nicht gelingt, durch Ihre Gesetzgebung zur selbsterfüllenden Prophezeiung.

Daher fordern wir Sie auf: Machen Sie Schluss mit den Sondersystemen. Wenn wir den Artikel 1 unseres Grundgesetzes ernst nehmen, ist klar: Ein Existenzminimum muss für alle gelten und darf nicht nach Herkunft, Aufenthaltsrecht- oder dauer eines Menschen unterscheiden. Die Reform, die das Asylbewerberleistungsgesetz wirklich benötigt, ist seine Abschaffung. Und wenn Sie sich dazu nicht durchringen, dann streichen Sie zumindest die künstlichen Leistungsabsenkungen für Menschen in Gemeinschaftsunterkünften aus dem Gesetzentwurf und sehen Sie von einer Ausweitung der Sachleistungen ab.

Denn die Menschenwürde kennt keine zwei Klassen!