Kleine Anfrage zur Energiearmut

Energiearmut ist ein zunehmendes Problem in Deutschland. Dies zeigt sich beispielhaft an der Anzahl der Strom- und Gassperren in deutschen Haushalten. Im Jahr 2017 haben sich die Stromsperren auf insgesamt 330 242 erhöht. Die Anzahl der Gassperren lag im selben Jahr bei knapp 38 000. Im individuellen Fall sind die Folgen, insbesondere bei Androhung und Durchsetzung einer Strom- oder Gassperre, eklatant. Die Betroffenen können mitunter nicht mehr heizen oder eine warme Mahlzeit zubereiten. Hausaufgaben müssen im Dunkeln erledigt und die Lebensmittel können nicht mehr im Kühlschrank gelagert werden. Ohne eine Versorgung mit Energie ist das Existenzminimum nicht mehr gesichert und die gesellschaftliche Teilhabe wird gefährdet. Zudem können die Betroffenen durch die anfallenden Gebühren für die Mahnung, Sperrung und Entsperrung in eine Verschuldungsspirale geraten, die das Risiko, erneut mit einer Energiesperre belegt zu werden, weiter erhöht.

Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zum Ausmaß und den Auswirkungen von Energiearmut offenbart die Bundesregierung, dass noch nicht einmal gewillt ist, das Ausmaß und die Folgen der Energiearmut in Deutschland genauer zu messen. Einen entsprechenden Vorstoß der EU-Kommission hatte sie bereits im vergangenen Jahr blockiert. Eine Stromkostenpauschale zur jährlichen Ermittlung der angemessenen Stromkosten für Grundleistungsbeziehende lehnt sie ab, obwohl offensichtlich ist, dass aktuell eine eklatante Unterdeckung im Regelsatz der Grundsicherung besteht. Auch die Anzahl der Stromsperren und ihre Folgen nimmt sie schlichtweg hin und verweist auf die bestehende Gesetzeslage. Fast schon zynisch wirkt dabei ihr Hinweis darauf, dass nicht nur ein geringes Einkommen, sondern auch besondere Lebenssituationen wie die Geburt eines Kindes, ein Trauerfall oder Erkrankungen Stromsperren bedingen.

Hintergrund:

Ein Gutachten im Auftrag des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zur Analyse der Stromsperren kommt zu dem Ergebnis, dass rund die Hälfte der Personen, die von Stromsperren betroffen sind, Grundsicherung beziehen Dies zeigt, dass insbesondere Personen mit geringen Einkommen oder/und im Bezug von Grundsicherungsleistungen von Energiearmut betroffen sind. Bei Personen im Grundsicherungsbezug haben jüngste Studien gezeigt, dass die im Regelsatz vorgesehenen Kosten die tatsächlichen Aufwendungen für Haushaltsenergie nicht decken. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat berechnet, dass Alleinerziehenden mit Kind bei einem durchschnittlichen Strompreis und -verbrauch 22,40 Euro pro Monat fehlen, um die Stromrechnung bezahlen zu können. Bei Personen in der Grundversorgung steigt die Unterdeckung sogar noch weiter. Auch in Haushalten, die ihr warmes Wasser mit einem Durchlauferhitzer erwärmen, fällt die Unterdeckung trotz des Zuschlages für die dezentrale Warmwasserbereitung noch größer aus. Das Vergleichsportal Verivox hat die Unterdeckung der Stromkosten im Regelsatz berechnet und kommt zu dem Ergebnis, dass die tatsächlichen Stromkosten in einem Single-Haushalt den Kostenanteil im Regelsatz um 14 Prozent übersteigen. In der Grundversorgung liegt diese Lücke gar bei 24 Prozent. Dabei bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. So liegt die Deckungslücke in der Grundversorgung bei Single-Haushalten zwischen 15 Prozent (Bremen) und 34 Prozent (Brandenburg).

Dabei ist der beste Schutz gegen hohe Strom- und Heizkostenrechnungen ein geringer Energieverbrauch. Gerade für Menschen mit niedrigen Einkommen ist es jedoch oftmals eine Herausforderung, ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Die Anschaffung energiesparender Geräte ist aus finanziellen Gründen häufig nicht möglich. Außerdem fällt die Stromrechnung oft unnötig hoch aus, wenn Menschen mit niedrigem Haushaltseinkommen Strom zu den teuren Grundversorgungstarifen beziehen. Und auch die Heizkosten sind für Menschen mit niedrigem Einkommen oft hoch, weil sie überdurchschnittlich häufig in schlecht sanierten Mietwohnungen leben.