Queer Lives Matter – Parlamentarischer Regenbogenabend 2019

Ulle Schauws und Sven Lehmann, die in der grünen Bundestagsfraktion für Queerpolitik zuständig sind, eröffneten den Parlamentarischen Regenbogenabend und wiesen auf die dramatische Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) weltweit hin, wonach wir die Bundesregierung ausführlich befragt hatten. In über 70 Staaten werden Menschen dafür bestraft, wen sie lieben oder wer sie sind. In einzelnen Staaten droht sogar die Todesstrafe. Fast die Hälfte der Menschheit lebt in Ländern, in denen LSBTI staatlich diskriminiert, brutal verfolgt oder gar umgebracht werden. Und noch weit mehr können sich weder auf staatlichen Schutz noch gesellschaftliche Solidarität verlassen, wenn sie Opfer von Hetze, Hass oder Gewalt werden. Diese Schande darf niemanden kalt lassen, sondern muss zu beherztem politischem Handeln führen.

Danach stellten die beiden Abgeordneten die wichtigsten queerpolitischen Initiativen vor. Ulle Schauws informierte über die parlamentarischen Vorlagen zur Bekämpfung der sogenannten Konversionstherapien, die interfraktionelle Initiative zur Ergänzung des Artikels 3 Absatz 3 Grundgesetz um das Merkmal „sexuelle Identität“ sowie über unsere Anfragen in Bezug auf die unbesetzte Leitung der Antidiskriminierungsstelle. Sven Lehmann kündigte einen ausführlichen Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit „Vielfalt leben“ und kritisierte scharf den Gesetzentwurf aus dem Justiz- und Innenministerium zur „Reform“ des Transsexuellenrechts.

Bekräftigen und uns ermutigen

Claudia Roth, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, nahm anschließend in ihrem Grußwort auf drei Jubiläen Bezug, die den Weg hin zu Gleichberechtigung und Partizipation weisen. Vor genau dreißig Jahren habe Professorin Kimberlé Crenshaw das Konzept der Intersektionalität geprägt – und damit den Weg für ein besseres Verständnis von Ungerechtigkeit geebnet, mehr Forschung ermöglicht, und vor allem den gemeinsamen Einsatz unterschiedlichster Bewegungen für das eine große Ziel befeuert: die Freiheit und Gleichheit aller.

Sie erinnerte dann an Stonewall Bar, als sich vor 50 Jahren Homo- und Transsexuelle in der Christopher Street in New York gegen die Razzien und die brutale Gewalt der Polizei widersetzten und sich gegen die Kriminalisierung aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität wehrten. Abschließend verwies sie auf das dritte, für Deutschland vielleicht entscheidende Jubiläum: vor siebzig Jahren, am 23. Mai 1949, erblickte unser Grundgesetz das Licht der Welt. Und von Geburt an habe dieser Text die unendliche Weitsicht besessen, eben nicht den Staat, nicht Institutionen oder demokratische Abläufe, sondern den Menschen, jeden Menschen in den Mittelpunkt zu stellen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Internationale Solidarität gibt Rückhalt und Kraft

Ulle Schauws und Sven Lehmann diskutierten im Anschluss mit Yga Kostrzewa polnische Aktivistin, die sich vor allem für die LSBTI-Rechte einsetzt und Jean Wyllys, brasilianischer Politiker, Autor und Journalist, über die Situation von LSBTI und das gesellschaftliche Klima in Polen und Brasilien. Yga Kostrzewa berichtete über die immer wiederkehrenden homofeindlichen Aktivitäten der polnischen Regierung und den sich dagegen formierenden Protest aus der LSBTI Szene. Mutig und gleichzeitig ergriffen von der Teilnahme am Parlamentarischen Regenbogenabend, der in Polen undenkbar wäre, schwenkte sie unter großem Applaus eine polnische Fahne mit Regenbogensymbol auf der Bühne. Auf die Frage, wie man sie in ihrem Kampf unterstützen könnte, wies sie vor allem auf persönliche Kontakte und internationale Unterstützung auf kommunaler Ebene hin.

Jean Wyllys war Abgeordneter für den Bundesstaat Rio de Janeiro von 2011 bis Anfang 2019 Mitglied im brasilianischen Nationalkongress in Brasília. Nach Drohungen verließ er das Land und legte sein Mandat nieder. Eindrücklich berichtete er von seinen Erfahrungen und betonte, wie wichtig lauter Protest und internationale Solidarität für die Aktivist*innen in Brasilien sei. Sie gäben ihnen Rückhalt und Kraft in politisch und gesellschaftlich sehr schwierigen Zeiten.

Musikalisch begleitet wurde der Regenbogenabend von Vivian Kanner und Maxim Shagaev, die mit viel Gefühl Lieder aus den Zwanziger Jahren präsentierten.

Traditionell endete der Abend rauschend mit Tanz und Musik von DJin Marsmädchen.